die_jugendforscherin: Beate Großeggers Blog
Berufsorientierung ist ein ewig heißes Thema – für Eltern, für Arbeitgeber und vor allem auch für die Jugend. Worum es Jugendlichen geht, liegt auf der Hand. Ihr Ziel ist es, herauszufinden, welcher Beruf zu ihnen passt, aber auch, welche Ausbildung sie brauchen, um in ihrem Wunschberuf erfolgreich Fuß zu fassen.
Lädt man junge Menschen ein, zu sagen, was sie sich von ihrem zukünftigen Beruf erwarten, reagieren viele frei nach dem Motto „Wir wollen alles und das sofort!“ Jugendliche und junge Erwachsene haben sehr klare Vorstellungen von ihrem Traumberuf. Dennoch ahnen sie vage, dass der „ideale Job“, von dem sie träumen, nicht so einfach zu finden ist.
Erwerbsarbeit soll eine solide Existenzgrundlage schaffen. Mindestens ebenso wichtig ist jungen Menschen aber, dass sie sich in der Arbeit wohlfühlen und einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, der sie gerecht werden und die sie, sieht man von kleinen motivationalen ups and downs, die wir alle kennen, einmal ab, alles in allem auch gerne ausüben. Um mit den Worten einer jungen Frau zu sprechen, die kürzlich bei uns an einer Fokusgruppe zum Thema „Fachkräfte von morgen: Arbeitszufriedenheit, betriebliche Gesundheitsförderung und KI aus lebensweltlicher Sicht von Lehrlingen und Lehrabsolvent*innen“ teilnahm: „Arbeiten gehört zum Leben dazu“, aber: „Man sollte das, was man in der Arbeit tut, können und wollen!“
Herauszufinden, was man will und zugleich auch gut kann, genau das fällt vielen jungen Menschen allerdings nicht leicht. Umso wichtiger ist es, Jugendlichen bei der Bildungs- und Berufswahl und auch in der Berufseinstiegsphase zur Seite zu stehen.
Junge Menschen verstehen den Begriff „Berufsorientierung“ breit
Wir Erwachsene denken bei Berufsorientierung in der Regel an Unterstützung junger Menschen bei der Bildungswahl und halten Orientierungsangebote für wichtig, zumal der Bildungsweg, den Jugendliche wählen, über die beruflichen Möglichkeiten, die ihnen zukünftig offenstehen, wesentlich mitentscheidet.
Junge Menschen setzen den Begriff „Berufsorientierung“ hingegen breiter an. Sie verstehen Berufsorientierung als ein Angebot, dass sie über einen langen Zeitraum, von der Bildungswahl bis zum Berufseinstieg begleitet. Und: Sie haben viele Fragen, die sie in dieser Zeit beschäftigen und die sie von der Berufsorientierung beantwortet bekommen wollen.
Gute Berufsorientierung bedeutet aus lebensweltlicher Sicht junger Menschen nicht nur fachliche Expertise bei Bildungs- und Arbeitsmarktthemen, sondern vielmehr auch das gemeinsame Finden von kompetenten Antworten auf lebensweltliche Fragen, die für ihren weiteren Lebensweg entscheidend sind.
Frage 1: „Was will ich beruflich später gerne machen und was will ich keinesfalls?“
Am Beginn steht die Frage: „Was will ich beruflich später gerne mal machen und was will ich keinesfalls?“ und, damit verbunden, „Welche Berufe passen überhaupt zu mir?“ Erstaunlicherweise ist gerade diese Frage für viele junge Menschen schwierig.
Worum es hier geht, ist, persönliche Interessen und Talente auszuloten (Stichwort: Eignung und Neigung). Worum es aber ebenso geht, ist, im Berufsorientierungsprozess gemeinsam mit den Jugendlichen die persönlichen Werte und die Motivation zu reflektieren, sprich: sich mit dem schwierigen Thema „Arbeitsethik“ auseinanderzusetzen und zu überlegen, inwieweit die Werte und Motivationslagen zu den Berufen, die die Jugendlichen in die engere Wahl fassen, passen.
Frage 2: „Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es in dem Berufsfeld, das mich interessiert?“
Zweitens geht es im Berufsorientierungsprozess natürlich auch darum, junge Menschen kompetent zu informieren, welche Ausbildungsmöglichkeiten es in den Berufsfeldern, die sie interessieren, gibt. Jugendliche wünschen sich einen Überblick über die Bandbreite der Ausbildungswege, aber auch Infos zu den mit den jeweiligen Ausbildungswegen verbundenen beruflichen Möglichkeiten, zu Qualifikationserfordernissen und vor allem zu zukünftigen Arbeitsmarktchancen und Verdienstmöglichkeiten.
Informationsbedarf haben junge Menschen hier zu Beginn der Berufsorientierungsphase, also zu dem Zeitpunkt, wo sie gefordert sind, ihre Bildungsentscheidung zu treffen, aber selbstverständlich auch noch während ihrer Ausbildung. Mit dem Näherrücken des Berufseinstiegs wird kompetente Information für die noch in Ausbildung befindlichen Jugendlichen in der Regel sogar noch wichtiger.
Frage 3: „Wie finde ich mit meiner Ausbildung einen guten und sicheren Job, der zu mir passt?“
Je näher der Berufseinstieg rückt, desto stärker rückt auch die Frage „Wie finde ich mit meiner Ausbildung einen guten und sicheren Job, der zu mir passt?“ ins Zentrum. Auch hier sehen junge Menschen, ausgehend von ihrem breit gefassten Begriffsverständnis, die Berufsorientierung gefordert.
Gegen Ende der Ausbildung erwarten und erhoffen sie sich Unterstützung bei der Vorbereitung auf den Einstieg „ins richtige Berufsleben“. Viele beginnen sich für Strategien der Jobsuche zu interessieren. Die Frage, wie man ein gutes Bewerbungsschreiben verfasst, hat nun erstmals praktische Relevanz. Orientierungsbedarf gibt es aber auch in Sachen Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche und/oder Einstellungstests.
All das fällt nicht unbedingt in den Aufgabenbereich, den wir in der öffentlichen Debatte mit Berufsorientierung verbinden. Dennoch ist es wichtig, hier näher hinzusehen, und zwar nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für Betriebe, die auf der Suche nach gut qualifizierten jungen Arbeitskräften sind.
Die geburtenstarken Jahrgänge gehen bekanntermaßen gerade in Pension. Der Bedarf nach motivierten jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern ist groß. Wenn lebensweltnahe Berufsorientierung in diesem Szenario einen Beitrag leistet, den Jugendlichen zu ermöglichen, das für sie Richtige zu finden, und im Gegenzug Unternehmen dazu verhilft, für die jeweilige zu besetzende Stelle die Richtige oder den Richtigen zu finden, hätten wir eine Win-Win-Situation.
AUTORINNEN-INFO: Dr. Beate Großegger – Institut für Jugendkulturforschung
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Aktuelle Forschungsprojekte des Instituts für Jugendkulturforschung zum Thema „Generation Z in der Arbeitswelt“:
- Generation „Safety First“: Erste Österreichische Lehrlingsstudie – Welle 4 – Eigenstudie der Instituts für Jugendkulturforschung in Kooperation mit tfactory (2024)
- Exploration „Fachkräfte von morgen: Arbeitszufriedenheit, betriebliche Gesundheitsförderung und KI aus lebensweltlicher Sicht von Lehrlingen und LehrabsolventInnen“ – Eigenstudie der Instituts für Jugendkulturforschung (2024)
Foto: Pixabay