Neue Freizeitstudie: „Endlich Ferien!“

Neue Jugendfreizeitstudie zeigt, worauf sich Jugendliche nach einem sehr herausfordernden Pandemiejahr jetzt besonders freuen

 


 

Freizeit für die „Generation Corona“: 5 Fragen an Dr. Beate Großegger

Warum veröffentlicht das Institut für Jugendkulturforschung gerade jetzt eine Freizeitstudie?

Eine interessante Frage. Als Jugendforscherin höre ich: „Jugendliche haben derzeit doch ganz andere Probleme.“ Das stimmt. Viele sehen ihre Zukunftschancen gefährdet. Drei von vier jungen Menschen haben Angst, dass uns die Pandemie in den kommenden Jahren einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit bescheren wird, und fragen sich, wie sie in diesem Szenario beruflich gut Fuß fassen können. Dennoch sehen sich diese Jugendlichen nicht etwa als eine verlorene Generation. Vielmehr fühlen sie sich bereit für den Neustart nach Covid-19. Neun von zehn jungen Österreichern und Österreichinnen sagen: „Ich will mir beweisen, dass ich im Leben erfolgreich sein kann.“ Damit dies gelingt, benötigen sie nach einem Jahr Pandemie aber jetzt einmal ein wenig Auszeit und Erholung.

Ein Jahr lang haben wir von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen erwartet, dass sie sich im persönlichen Lebensvollzug massiv einschränken. Vor allem der soziale Distanzmodus, der uns über die langen Monate der Pandemie begleitet hat und der ganz ohne Zweifel auch notwendig war, hat jungen Menschen viel abverlangt. Viele fühlen sich erschöpft und leer. Sie haben Nachholbedarf. Sie sehen Freizeit als Ressource zum Auftanken ihrer Energien. Freizeitgestaltung, die Spaß macht und die Erholung bietet, ist für die „Generation Corona“ wichtig, um psychisch stabil und am Ball zu bleiben – das sage nicht nur ich als Jugendforscherin, das artikulieren junge Menschen in nahezu gleichen Worten. Und genau deshalb kommt unsere Jugendfreizeitstudie zu dieser Zeit.

Die Jugend ist unlängst als partygeile „Generation Dosenbier“ durch die Medien gegangen. Was ist da dran?

Nicht allzu viel, würde ich sagen. Jugendliche waren ein Jahr lang eingesperrt, vielleicht sollte man auch besser sagen: Sie waren weggesperrt. Für viele junge Menschen, mit denen wir im Rahmen unserer qualitativen Forschung zu diesem Thema gearbeitet haben, fühlte es sich nämlich genauso an. In der öffentlichen Debatte rund um Covid-19 sind Jugendliche kaum vorgekommen. Jetzt, wo sinkende Infektionszahlen langersehnte Öffnungsschritte erlauben und allseits darüber gesprochen wird, dass wir der gewohnten Normalität nun endlich wieder ein Stück näherkommen, wundern wir uns, dass junge Menschen rausgehen und sich mit ihren Freunden und Freundinnen treffen, um das Ende des Lockdowns und ein zumindest vorübergehendes Abebben der Corona-Pandemie gemeinsam zu feiern?

Wenn der Platz im öffentlichen Raum eng und noch dazu Alkohol mit im Spiel ist, kann es dabei natürlich auch zu Problemen kommen. Ich finde es dennoch respektlos gegenüber diesen jungen Menschen, wenn man sie als Problemjugendliche oder – in griffigerer Formulierung – als „Generation Dosenbier“ etikettiert. Diejenigen, die das tun, sind blind gegenüber der Funktion, die die Outdoor-Partyszene für Jugendliche aktuell hat. Sie sehen nicht, dass die Outdoor-Partys Jugendlichen auch als Ritual dienen, um nach einem sehr herausfordernden Pandemiejahr eine Abschlussmarkierung zu setzen und zu sagen: „Jetzt feiern wir, dass es endlich besser wird, und dann starten wir durch!“ Unsere aktuelle Freizeitstudie zeigt jedenfalls, dass Partymachen im Ranking der beliebten Freizeitaktivitäten bei 16- bis 29-Jährigen nicht ganz oben steht, sondern nur das Mittelfeld belegt. Nicht mehr als 39 Prozent der jungen Österreicher und Österreicherinnen nennen Feiern und Partymachen als bevorzugte Freizeitaktivitäten.

Was macht die „Generation Corona“ in ihrer Freizeit besonders gern und was hat in den Freizeitkulturen der Jugendlichen aktuell besonderen Stellenwert?

Es gibt drei Pfeiler, auf denen Jugendliche ihre Freizeitgestaltung aufsetzen. Zum einen sind das informelle Geselligkeitsnetzwerke, die für das pulsierende Leben der „Gesellschaft der Altersgleichen“ stehen. Zum anderen ist es „chillen“, und zwar mit einem konkreten Ziel: nämlich Energie zu tanken. Und drittens ist natürlich auch die richtige Dosis „Lifestyle“ wichtig. Hier geht es um Abenteuer, Erlebnis, Action und um all die bunten Angebote, mit denen der Jugendfreizeitmarkt junge Zielgruppen bedient. Es geht aber auch um ganz persönliche Interessen, die Jugendliche vielfach selbst in jugendkulturelle Lifestyles einbetten. Um ein Beispiel zu nennen: Ein knappes Drittel aus den unteren Bildungsmilieus beschäftigt sich in der Freizeit besonders gerne mit dem Moped, dem Motorrad oder Auto (insbesondere natürlich die Jungs und jungen Männer). Und ein Teil von ihnen überformt dieses Hobby jugendkulturell und vergemeinschaftet sich mit Gleichgesinnten beispielsweise in der Tuning-Szene.

Nebenbei bemerkt: Mobilität ist in der Lebensphase „Jugend“ generell ein heißes Freizeitthema. Bildungsferne Milieus denken dabei vor allem an Moped-, Motorrad- oder Autofahren. Jugendliche aus den Bildungsschichten freuen sich in der aktuellen Pandemiesituation hingegen vor allem wieder aufs Reisen.

Junge Menschen nutzen aber natürlich auch Medien in ihrer Freizeit. Unsere aktuelle Studie zeigt, wie breit das freizeitorientierte Medienrepertoire Jugendlicher heute angelegt ist, und sie unterstreicht einmal mehr, was wir in der Jugendforschung schon lange betonen, nämlich: „Jugendzeit ist immer auch Medienzeit.“

Welche Trends zeigen sich aktuell?

Da wäre vieles zu nennen. Wenn wir im Bereich der nicht-medialen Freizeitaktivitäten bleiben, scheinen derzeit drei Entwicklungen besonders relevant. Erstens der Trend zu „emotionaler Stadtflucht“: Viele erwachsene Großstadtbürger und Großstadtbürgerinnen träumen nach einem Jahr Pandemie vom eigenen kleinen Ferienhäuschen am Land, die urbane Jugend, die zum Teil in wirklich beengten Wohnverhältnissen lebt, sehnt sich hingegen verstärkt nach Freiluftpartys und informellen Sommertreffpunkten im öffentlichen Raum. Fernab der städtischen Ballungsräume basteln junge Menschen im Sommer seit langem an selbstorganisierter Open-Air-Kultur und haben informelle Treffs an Seen und Flüssen fix in ihre Freizeitrepertoires integriert. Die städtische Jugend sieht ihre Möglichkeiten hier hingegen beschränkt.

Als zweiten Trend würde ich jugendlichen Hobbyismus, der sich an einer vom japanischen Ikigai inspirierten Lebensphilosophie und einer neuen Begeisterung für „do it yourself“ orientiert, nennen. Zwar ist die „Generation Corona“ Angeboten des kommerziellen Freizeitmarktes keinesfalls abgeneigt, aber sie muss nicht unbedingt immer bespaßt werden, sondern sie bespaßt sich, indem sie sich ihren ganz persönlichen Hobbys und Interessen zuwendet, auch gerne selbst.

Und drittens: „Gib Gas, ich will Spaß“ ist als Lebensphilosophie oder vielleicht besser: Überlebensphilosophie vor allem bei jenen, die sich selbst auf der Krisenverliererseite sehen, am Vormarsch. Selbst in der Gruppe der Jugendlichen mit niedriger und mittlerer formaler Bildung sagen nach den langen Monaten der Pandemie ganze 82 Prozent: „Ich will nicht nach Vorschriften und Plan leben, sondern tun, was mir gerade Spaß macht.“

Und eine letzte Frage: Welche Rolle spielt freiwilliges Engagement im Freizeitgeschehen der Jugendlichen?

Freiwilliges Engagement hält sich stabil auf niedrigem Niveau. Gerade einmal 13 Prozent geben an, dass sie sich in der Freizeit gerne freiwillig engagieren und unentgeltlich für einen guten Zweck einsetzen. Was auffällt, ist, dass Extrovertierte mit Angeboten für freiwilliges Engagement eher erreicht werden als Jugendliche und junge Erwachsene, die sich als introvertiert beschreiben. Ich denke, das hat wohl auch mit den Kampagnen der letzten Jahre zu tun. Das Ehrenamt wurde vorzugsweise mit der Botschaft „Hier könnt ihr gemeinsam mit anderen coolen jungen Leuten Spaß haben und dabei auch noch etwas Gutes tun“ promotet. Introvertierte, die sich selbst als eher zurückhaltende, wenn auch nicht einsame Menschen beschreiben, schreckt ein zu offensiv platziertes Spaß- und Geselligkeitsversprechen ab. Hier braucht es vermutlich andere Ansprachestrategien, die auf die von Introvertierten reich erlebte Innenwelt Bezug nehmen. Die Gruppe derer, die sich selbst als introvertiert beschreibt, ist mittlerweile übrigens gleich groß wie die der gesellig-extrovertierten Jugendlichen, also zahlenmäßig durchaus relevant.

 

Der ausführliche Datenband mit allen Detailergebnissen zur Studie ist im freien Verkauf über das Institut für Jugendkulturforschung erhältlich:

  • Studienband „Leisure is Pleasure 2021“ (Charts mit ausführlicher grafischer Darstellung inkl. Zeitreihenanalyse und Tabellen mit folgenden Breaks: 16 bis 29 Jahre gesamt, Geschlecht: weiblich/männlich, Alter: 16-19/20-24/25-29 Jahre, Bildung: niedrige & mittlere Bildung/höhere Bildung, Region: Ost/Mitte/West/Süd, Migrationshintergrund: ohne/mit Migrationshintergrund, Introvertierte/Extrovertierte) zum Preis von Euro 990,00 exkl. Ust. – zum Bestellformular
  • Studienband „Leisure is Pleasure 2021“ plus Studienpräsentation online zum Preis von Euro 1.590,00 exkl. Ust. – zum Bestellformular
  • Studienpaket sowie halbtägiger Workshop mit spezifischen individuellen Lösungen: Preis auf Anfrage
  • Für Vertiefungsangebote im Rahmen von Fachexpertisen, Fortbildung und Beratung stehen Ihnen Dr. Beate Großegger und Matthias Rohrer  jederzeit sehr gerne zur Verfügung. Wir freuen uns auf Ihre Anfragen und Bestellungen unter studien@jugendkultur.at.

 

Weitere Infos zur Studie finden im Leisure-is-Pleasure-Studien-Info sowie hier:

Leisure is Pleasure 2021