Lehrlinge & die soziale Frage

Für wen würden sich Lehrlinge einsetzen, wenn sie in der Politik etwas zu sagen hätten? Welche Bevölkerungsgruppen sehen sie in unserer Gesellschaft besonders benachteiligt? Und wen hätten sie lieber nicht als Nachbarn? Das Institut für Jugendkulturforschung hat in einem Spezialmodul zur Lehrlingsstudie 2018 nachgefragt.

 


 

Lehrlinge als Dialoggruppe der Politik

Sind Jugendliche politikinteressiert oder sind sie, wie man so oft hört, politikverdrossen? Welche Anliegen haben junge Menschen und was erwarten sie sich von einer jugendorientierten Politik? Sind sie bereit, sich politisch zu engagieren? Und: Welche gesellschaftspolitischen Einstellungen vertreten sie? Das Verhältnis der nachrückenden Generation zu Politik ist ein Thema, zu dem das Institut für Jugendkulturforschung seit langen Jahren forscht.

Wir beobachten dabei auch die sich wandelnden Akzentsetzungen in der öffentlichen Debatte. Hier fällt auf, dass, vor allem wenn es darum geht, Jugendliche stärker in politische Dialogprozesse einzubinden, eine Gruppe junger Menschen, nämlich Lehrlinge, kaum in Erscheinung treten. Genau diese Gruppe haben wir uns in einem aktuellen Eigenforschungsschwerpunkt näher angesehen.

 

Ausführliche Ergebnisse lesen Sie in der aktuellen Kurz-Expertise unserer wissenschaftlichen Leiterin, die ab sofort als Download zur Verfügung steht:

 

Eine kurze Zusammenschau ausgewählter Ergebnisse finden Sie hier:

  • Nicht gerne als Nachbarn: Was das private Lebens- und Wohnumfeld betrifft, sind Lehrlinge toleranter als man ihnen gerne unterstellt. Dennoch gibt es von ihrer Seite klare Statements in der Frage, mit welchen Personengruppen man lieber nicht Tür an Tür wohnen würde. Als Nachbarn am stärksten ablehnt werden: Drogenabhängige und AlkoholikerInnen, politische ExtremistInnen (wobei RechtsextremistInnen auf mehr Ablehnung stoßen als LinksextremistInnen) sowie Personen, die vorbestraft sind. Vergleichsdaten aus der österreichischen Jugend-Wertestudie 1990 zeigen, dass die Grundhaltung der Lehrlinge in der Frage, wen sie lieber nicht als Nachbarn hätte, über die Jahre erstaunlich stabil geblieben ist. Nur bei drei Personengruppen sind signifikante Werteverschiebungen zu beobachten: bei Vorbestraften, kinderreichen Familien und Homosexuellen. Wie die Zeitreihendaten zeigen, sind Vorbehalte gegenüber Nachbarn, die vorbestraft sind, wie auch Nachbarn mit vielen Kindern über die Jahre gestiegen, Vorbehalte gegenüber Homosexuellen seit 1990 hingegen deutlich zurückgegangen.
  • Wenn Lehrlinge in die Rolle von PolitikerInnen schlüpfen würden: Für wen würden sie Politik machen? Eine gute Frage, auf die, ungestützt abgefragt, 7 von 10 Lehrlingen keine schnelle Antwort parat haben. Lediglich eine qualifizierte Minderheit von 30 Prozent bezieht hier klar Position, und zwar allem voran für die arbeitende Bevölkerung im Niedriglohn- und unteren Einkommensbereich sowie Bevölkerungsgruppen mit erhöhtem Armutsgefährdungsrisiko (explizit genannt werden hier u.a. AlleinerzieherInnen und Arbeitslose).
  • Materielle Benachteiligung – ein heißes Thema bei Lehrlingen: Lehrlinge leben nicht, um zu arbeiten, sondern wollen arbeiten, um zu leben: Zwei Drittel der österreichischen Lehrlinge sagen „Ich versuche nach der Arbeit bzw. nach der Berufsschule möglichst viel zu erleben.“ Dafür braucht man natürlich auch finanzielle Mittel. Ganz anders als in den post-materialistischen Milieus der bildungsnahen Jugend ist materialistisches Denken im Lehrlingsmilieu nicht verpönt, sondern normal. Lehrlinge reagieren in der Regel empfindlich, wenn sie das Gefühl haben, gegenüber anderen materiell benachteiligt zu werden. Faire Entlohung ist ihnen wichtig, Verringerung von Einkommensunterschieden einer ihrer Wünsche an die Politik.

 

Sie sind an der Zielgruppe „Lehrlinge“ interessiert?

Gerne beraten wir Sie über die Möglichkeit zu einer Vertiefungsstudie oder entwickeln für Ihre Fragen maßgeschneiderte Fortbildungsangebote (Vorträge, Worskhops oder Seminare – gerne auch unter Beteiligung der Zielgruppe). Bei Interesse senden Sie Ihre Anfrage bitte an studien@jugendkultur.at oder wenden Sie sich direkt an Dr. Beate Großegger: bgrossegger@jugendkultur.at

Der Basisteil der Lehrlingstudie 2018 mit sämtlichen Daten ist darüber hinaus im freien Verkauf über das Institut für Jugendkulturforschung erhältlich: zum Bestellformular

Mehr über die Basistudie lesen Sie hier:

Erste österreichische Lehrlingsstudie – Welle 3