Dr. Beate Großegger sprach im Rahmen der Branchenkonferenz „Sicher mit Sinn: Arbeit in der Sozialwirtschaft“ am 27.11.2018 in Wien zum Thema „Generation Flexwork: Y und Z“
- Lesen Sie hier ein Interview mit Beate Großegger sowie weitere aktuelle News aus unserer Forschung zum Thema „Jugend in der Arbeitswelt”
Jugend in Sozial- und Gesundheitsberufen: vier Fragen an Beate Großegger
Was unterscheidet die am Arbeitsmarkt nachrückende junge Generation, also junge Menschen im Alter von 15 Jahren bis Anfang 30, von den „Mid Agers“?
Beate Großegger: „Sie sind formal gut qualifiziert wie keine Generation zuvor, haben aber weitaus unsicherere Job-Perspektiven. Sie müssen in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt beruflich Fußfassen und sind mit dabei mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Die Zeiten, in denen man Berufsbiographien langfristig planen konnte, sind vorbei. Hohe Flexibilität und Mobilitätsbereitschaft sind für die am Arbeitsmarkt nachrückende Generation ein Muss. Jugendliche und junge Erwachsene erleben das oft als Zumutung. Viele junge Menschen sehnen sich nach einem langfristig sicheren Job, der halbwegs gut bezahlt ist, so dass man sich auch einen gewissen Lebensstandard leisten kann. Und sie wünschen sich vor allem eines: einen Beruf mit ausreichend Work-Life-Balance. Die formal höher Qualifizierten haben darüber hinaus den Anspruch, einer abwechslungsreichen, interessanten Tätigkeit nachzugehen und damit im Job auch Selbstverwirklichungsbedürfnisse zu befriedigen. Vor reproduktiven Tätigkeiten, die erledigt werden müssen, damit der Laden läuft, scheuen sie eher zurück. Wobei diese Grundtendenzen, die wir hier beobachten, nicht darüber hinwegtäuschen sollen, dass die am Arbeitsmarkt nachrückende Generation keine in sich homogene, geschlossene Arbeitskraftgruppe ist. Vielmehr differenzieren die Arbeitskraftmentalitäten sehr stark aus.”
Welche Arbeitskraftmentalitäten sind für den Gesundheits- und Sozialbereich interessant?
Beate Großegger: „Für den Bereich der Sozial- und Gesundheitsberufe scheinen mir folgende drei Typen relevant. Erstens die Traditionell-Soliden, das sind junge Menschen, die im Job vor allem Sicherheit suchen und eher wenig Interesse an verantwortungsvollen Entscheider-Positionen haben. Sie übernehmen zwar durchaus Verantwortung, aber nur in kleinen, eng umrissenen Bereichen. Sie erwarten sich von ihren Vorgesetzten klare Vorgaben, was zu tun ist, und zwar mit respektvollem Ton im persönlichen Umgang. Das heißt, diese jungen Menschen wollen und müssen in klassischer Weise geführt werden, um im Beruf ihre Leistung zu bringen. Und sie legen auch viel Wert auf ein gutes Arbeitsklima, wobei das für sie vor allem Zusammenarbeit mit netten Kollegen bedeutet. Wichtig für Traditionell-Solide ist, dass die in ihren Ausbildungsgängen erworbenen Qualifikationen mit dem Job-Profil ihrer Stelle zusammenpassen. Im Beruf suchen sie die Mitte: Sie wollen nicht zu sehr, aber auch nicht zu wenig gefordert werden.
Die Eigeninitiativen, der zweite Typus der mir für den Bereich der Sozial- und Gesundheitsberufe interessant erscheint, repräsentieren eher die zukünftigen Führungspersönlichkeiten: Auch ihnen ist ein gutes Arbeitsklima wichtig. Sie denken dabei aber nicht nur an nette Kollegen oder Zusammenarbeit in einem gut funktionierenden Team. Aus ihrer Sicht müssen auch Chefs ihren Beitrag leisten, und zwar indem sie sich mit der Arbeit ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auseinandersetzen, qualifiziertes Feedback liefern und Rahmenbedingungen schaffen, so dass sich Eigeninitiative im beruflichen Leben auch weiterentwickeln können. Eigeninitiative übernehmen gerne Verantwortung. Ideal ist, wenn man gemeinsam mit ihnen Zielvereinbarungen trifft, sie die Mittel und Wege der Zielerreichung aber selber bestimmen dürfen.
Drittens wären da die Nicht-Jetzt-Akteure: Das sind junge Menschen, die noch ein wenig auf der Suche sind. Wenn man es positiv sieht, könnte man sagen: Sie sind noch nicht festgelegt und müssen ihren Weg erst finden. Fachliche Qualifikationen bringen sie sehr wohl mit. Dennoch brauchen sie vor allem in der Berufseinstiegsphase Zeit. Das heißt, Führungskräfte dürfen ihnen gegenüber nicht zu dynamisch und vor allem nicht mit einem autoritären Führungsstil auftreten, sondern müssen die jungen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sozusagen smart auf Schiene bringen.”
Wie kann man junge Menschen im Beruf motivieren?
Beate Großegger: „Hier müssen wir intrinsische und extrinsische Motivation unterscheiden. Intrinsisch Motivierte suchen Sinn in dem, was sie tun. Für sie zählt, welche Tätigkeiten und Aufgaben ihnen zugeteilt werden, und zwar nicht aus Statusüberlegungen, sondern weil sie sich in den Bereichen, die ihnen persönlich wichtig sind, weiterentwickeln wollen. Zeitautonomie und konstruktives Feedback von Führungspersönlichkeiten sind aus Sicht dieser Gruppe ein wichtiges Signal für Anerkennung und Wertschätzung der geleisteten Arbeit und wirken somit als Motivationsfaktoren. Extrinsisch Motivierte ticken anders: Ihnen geht es um materielle Sicherheit und Status – das heißt, hier werden Funktionsbezeichnungen, die darauf hindeuten, dass sich die Erwerbstätigen in ihrer beruflichen Tätigkeit vom ‚niederen Fußvolk’ abgrenzen, wie auch materielle Boni wichtig. Sie sind für die jungen Erwerbsnehmer und Erwerbsnehmerinnen Ausdruck von Anerkennung und wirken motivierend. Die breite Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen repräsentieren einen Mischtyp aus intrinsischer und extrinsischer Motivation, wobei wir in den Daten sehen, dass die extrinsische Motivation heute an Bedeutung gewinnt. Das heißt, Selbstverwirklichung und Sinnstiftung rücken als motivationale Argumente in den Hintergrund.”
Was spricht dafür, einen Gesundheits- oder Sozialberuf zu ergreifen?
Beate Großegger: „Gesundheits- und Sozialberufe punkten bei jungen Menschen heute allem voran mit einer sicheren Job-Perspektive. Die Entwicklungsdynamiken der digitalen Ökonomie führen dazu, dass viele junge Menschen das Gefühl haben, nicht zu wissen, ob die Qualifikationen, die sie in ihrer Ausbildung erwerben, in 15, 20 oder 30 Jahren am Arbeitsmarkt überhaupt noch nachgefragt sein werden. Im Sozial- und Gesundheitsbereich ist das anders: Hier wird der Bedarf zukünftig sogar noch steigen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Viele Sozial- und Gesundheitsberufe haben in unserer Gesellschaft leider nach wie vor wenig Sozialprestige und sie bieten eher wenig Work-Life-Balance, was ihre Attraktivität gerade in jungen Zielgruppen dämpft.”
Abstract zum Beitrag von Beate Großegger im Rahmen der Branchenkonferenz „Sicher mit Sinn: Arbeit in der Sozialwirtschaft“: Download hier
Weitere News des Instituts für Jugendkulturforschung zum Thema „Jugend in der Arbeitswelt“
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