Die in der Arbeitswelt nachrückende Generation hat ihren eigenen Kopf: Worauf müssen sich Arbeitgeber*innen einstellen?
Anlässlich des Erscheinens unserer neuen Studie „Generation Corona und die Arbeitswelt von morgen“ hat Kim Kopacka von Fakt & Faktor ein Gespräch mit unserer wissenschaftlichen Leiterin Dr. Beate Großegger geführt. Das ungekürzte Interview sowie weitere Medienberichte zur Studie lesen Sie hier.
Haben sich die Anforderungen, die junge Menschen an zukünftige Arbeitgeber*innen stellen, durch die Pandemie verändert? Was erwarten sich Jugendliche und junge Erwachsene von Führungskräften?
Ja, durchaus, die Pandemie hat junge Menschen verändert. Sie sind pragmatischer geworden. Im Berufsleben schnell und erfolgreich Fuß zu fassen, ist für Berufseinsteiger*innen enorm wichtig. Sie wünschen sich einen sicheren Arbeitsplatz, der die Existenz sichert und eine solide materielle Basis schafft, um die persönliche Zukunft planen zu können, das zeigt unsere aktuelle Studie „Generation Corona und die Arbeitswelt von morgen“ sehr deutlich.
Junge Menschen entwickeln heute, im dritten Jahr der Pandemie, ein sehr ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis, auch und gerade was ihre beruflichen Zukunftsperspektiven betrifft. Arbeitsplatzsicherheit kommt für sie deutlich vor Karriere. Die Sinnfrage rückt nunmehr etwas stärker in den Hintergrund.
Natürlich setzt die junge „Generation Corona“ darauf, dass Unternehmen auf ihr gestiegenes Sicherheitsbedürfnis reagieren. Das zeigt sich in ihren Erwartungen an Führungskräfte. Geht es nach der heutigen Jugend, gilt: In Krisenzeiten punkten kommunikative Skills sowie ein kühler Kopf. Nur 11% wünschen sich Risikobereitschaft bei ihren Führungskräften. Zu unternehmerischen Macherqualitäten, die vielfach mit einem männlichen Führungsstil verbunden werden, geht diese sicherheitsorientierte Jugend auf Distanz. Ich möchte hier aber gar nicht mehr verraten, unsere Studie ist ja im freien Verkauf erhältlich und wir setzen natürlich darauf, dass sich möglichst viele Führungskräfte für die Detaildaten interessieren.
Ihre Studie hat gezeigt, dass „Social Distancing“ Spuren bei vielen jungen Menschen hinterlassen hat. Ein knappes Drittel zeigt Anzeichen von Sozialphobie. Was bedeutet das für Arbeitgeber*innen? Bedeutet das das Aus für Großraumbüros?
Im Grunde schon. Vor allem in den jungen Bildungsschichten wirkt das pandemiebedingte „Social Distancing“ deutlich nach. Hier sehen wir, dass sich jeder Dritte in großen Menschenmengen unwohl fühlt. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum man das Konzept des Großraumbüros überdenken sollte. Auch motivationale Überlegungen spielen hier eine Rolle. Tatsache ist, dass Jobs, die ein psychologisch adäquates Arbeitsumfeld schaffen und am Arbeitsplatz auch so etwas wie eine individuelle Wohlfühlumgebung bieten, die Motivation und Leistungsorientierung junger Menschen positiv beeinflussen. Die Architektur des Großraumbüros bietet hierfür keinen geeigneten Rahmen.
Während der Pandemie haben sich die Prioritäten junger Menschen verschoben. Die Gesundheit, sowohl die körperliche als auch die psychische, hat an Bedeutung gewonnen. Was bedeutet das für Arbeitgeber*innen?
Zum einen geht es natürlich darum, das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz weiterhin so niedrig wie möglich zu halten – das ist vor allem jungen Menschen, die selbst in die Risikogruppe fallen oder die in ihrer Familie und im engsten Freundeskreis Risikopersonen haben, sehr wichtig. Zum anderen geht es aber auch darum, betriebliche Gesundheitsförderung nicht nur in Richtung der bereits etwas älteren Arbeitnehmer*innen zu denken, sondern junge Leute stärker miteinzubeziehen. Mit Blick auf das große und wichtige Thema „Mental Health“ wären in der Planung und Umsetzung von Arbeitsprozesses vor allem Phasen des „Brain Recovery“ mitzudenken.
Durch die Pandemie haben wir einen Digitalisierungsschub erlebt. Wirkt sich das auch auf die Berufsvorstellungen junger Menschen aus? Sind technische Berufe dadurch gefragter?
Die Digitalisierung ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wissen die Jugendlichen natürlich, dass wir im Bildungswesen und auch in vielen Bereichen des Erwerbsarbeitslebens ohne digitale Tools nicht so gut durch die Pandemie gekommen wären wie wir es trotz Jammern letztendlich dann doch sind. Andererseits haben vor allem junge Menschen aus den Bildungsschichten, die die Lockdown-Phasen der Pandemie im digitalen Distanzmodus erlebten, digitales Lernen und Arbeiten im Homeoffice vielfach satt. Der Trend geht ganz klar zu Hybrid-Modellen. Beziehungsqualität im Präsenzmodus wird wieder hoch geschätzt. Das ist das eine. Auf der anderen Seite sehen junge Leute IT-Berufe, wie die Studie zeigt, aber natürlich als Berufe mit besonders guten Zukunftschancen für die eigene Generation.
Kann man der Pandemie auch etwas Positives abgewinnen? Wurden junge Menschen dadurch z.B. resilienter, was sich wiederum positiv auf ihre Arbeit auswirken würde? Sind sie dadurch auch besser für andere Krisen gerüstet?
Das lässt sich so generell nicht sagen. Ein Teil der Jugendlichen wurde resilienter, ein anderer Teil wiederum wurde durch die Pandemie aus der Bahn gekippt. Und viele waren einfach nur darauf konzentriert, irgendwie die Balance zu halten, und konnten keine zusätzlichen Ressourcen für den Aufbau von individueller Krisenkompetenz mobilisieren. Das ist das tragische Faktum, das wir in der Jugendforschung seit langem und in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen beobachten: Die Resilienten werden durch Krisenerfahrung gestärkt, die wenig Resilienten erleben hingegen oft ein hohes Maß an subjektiver Belastung und nehmen dieses Belastungsempfinden in alle wichtigen Lebensbereiche mit, also auch in die Arbeitswelt.
Haben Sie mit diesen Ergebnissen gerechnet, oder gab es etwas, was Sie besonders überrascht hat?
Erstaunlich war für mich, wie positiv junge Menschen, trotz all der Entbehrungen und Herausforderungen, die sie seit Beginn der Pandemie erlebt haben, in ihre berufliche Zukunft gehen. Auch wenn viele verunsichert sind, wie es für sie im Leben weitergeht, hat die breite Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Anspruch, ihr berufliches wie auch privates Leben zum Positiven zu gestalten. 3 von 4 jungen Österreicher*innen sagen: Ich will mir beweisen, dass ich im Leben erfolgreich sein kann. Motivation ist also da. Nach den verstörenden langen Pandemiemonaten brauchen junge Menschen in der Berufseinstiegsphase aber Unterstützung, um ihre Potentiale auch wirklich entfalten zu können. Es liegt also auch an uns bereits etwas Älteren, die jungen Leute beruflich auf einen guten Weg zu bringen und damit letztlich die Zukunftschancen für die „Generation Corona“ zu sichern.