Aufwachsen in Zeiten der Krise

In einem Eröffnungsvertrag im Rahmen des 36. Kongresses der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie sprach Dr. Beate Großegger am 1.6.2023 unter dem Titel Aufstehen, Krone richten, weitergehen? an der Universität Klagenfurt über die Herausforderungen des Aufwachsens in Zeiten der Krise.

 


Aufstehen, Krone richten, weitergehen?

Unter diesem Titel hielt Dr. Beate Großegger im Rahmen des 36. Kongresses der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie einen Eröffnungsvortrag zu „Jugend in der Krise“, in dem sie aufzeigte, mit welchen Herausforderungen sich Heranwachsende heute konfrontiert sehen, wo sie Hilfe und Unterstützung benötigen, aber auch, wie sie selbst mit Entlastungsstrategien experimentieren, um trotz Dauerkrisenmodus mental gesund zu bleiben.

„Wir erleben heute bewegte Zeiten: Die Covid-19-Pandemie, die Klimakrise, der Ukrainekrieg und, damit verbunden, die Energie- und Teuerungskrise stellen für junge Menschen prägende Erfahrungen dar. Biographieplanung ist in diesem Szenario schwierig“, so Beate Großegger.

Unsicherheit bestimmt das Lebensgefühl der jungen Krisengeneration. Den Alltag im gesellschaftlichen Krisenmodus zu bewältigen, ist für die breite Mehrheit zur neuen Normalität geworden. Jugendliche sehen sich dennoch nicht als eine verlorene Generation. Sie haben das Ziel, allen Widernissen zum Trotz im Leben Fuß zu fassen. Und sie wollen ihre Jugendbiographie so leben können, wie Jugendgenerationen zuvor: sich ausprobieren, gemeinsam mit Gleichaltrigen Spaß haben, sich am „eigenen Ding“ versuchen und irgendwann einmal dann „ankommen“.

Sorgen und Ängste sind trotz Mut zum Durchalten sehr präsent

Die derzeit größten Sorgen und Ängste der österreichischen Jugendlichen ranken sich um vier Themen:

  • Teuerung
  • Ukraine-Krieg als bewaffneter Konflikt vor der Haustür der EU
  • Klimawandel
  • sowie eine krisenassoziierte soziale Spaltung der Gesellschaft und, damit verbunden, gesellschaftliche Entsolidarisierungsprozesse

Als Nachwehen der Pandemie artikulieren junge Menschen darüber hinaus Belastungsreaktionen, die allem voran in „sozialem Fremdeln“, Schlafstörungen und Fokussierungsproblemen ihren Ausdruck finden.

Jugendliche wünschen sich, dass Politik und Erwachsenengesellschaft umdenken

Armutsbekämpfung bzw. treffsichere Sozialpolitik und tragfähige Strategien gegen den Klimawandel – so lautet der Handlungsauftrag der jungen Krisengeneration an die Politik.

Von der Gesellschaft fordert sie mehr Verständnis und Toleranz gegenüber jungen Menschen:

  • Sieben von zehn Jugendlichen und jungen Erwachsenen finden, dass unsere Gesellschaft während der Pandemie weniger tolerant geworden ist – nicht zuletzt auch gegenüber der Jugend.
  • 64% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen meinen: „Das Leben der Jugend ist heute eingeschränkter und unfreier als früher“ (junge Frauen sind mit 69% Nennungen übrigens stärker sensibilisiert als junge Männer mit 59% Nennungen). Das gilt auch und gerade für den Lebensbereich „Freizeit“.

Positiv erlebte Freizeit ist für junge Menschen wichtig, um im Dauerkrisenmodus psychisch stabil zu bleiben

Freizeit ausgeklinkt aus der permanenten Krisenberichterstattung der Medien und zugleich frei von den Erwartungen der Erwachsenen erleben zu können, ist für junge Menschen wichtig, um im Multikrisenmodus zumindest punktuell Entlastung zu finden.

Sofern Freizeit im Umfeld gleichaltriger Freund*innen erlebt wird, stärkt dies das Gefühl des sozialen Eingebundenseins und schafft damit einen Stabilitätsanker in der Krise. Wenn junge Menschen ihre Freizeit nutzen, um gemeinsam mit anderen oder auch für sich allein persönlichen Interessen nachzugehen oder sich persönlichen Anliegen zu widmen (Sport, kreative Aktivitäten oder auch ehrenamtliches Engagement), kommen sie ins Tun und öffnen sich damit wichtige Spielräume für Selbstwirksamkeitserfahrungen.

„Selbstwirksamkeitserfahrungen sind ungemein wertvoll, wenn es darum geht, gut oder zumindest weitgehend unbeschadet durch die Multikrise zu kommen“, betont Dr. Beate Großegger.

Das Institut für Jugendkulturforschung bleibt auch weiterhin an diesem für junge Menschen wichtigen Thema dran:

  • Unter dem Titel Generation Nice: Jugend in der Multikrise läuft aktuell eine von Beate Großegger geleitete Eigenstudie des Instituts für Jugendkulturforschung.
  • Die Ergebnisse dieser Studie werden voraussichtlich bereits im Sommer vorliegen – gerne halten wir Sie auf dem Laufenden.