Anti-gewerkschaftlicher Feldzug der Wissenschaft
- ein Kommentar von Bernhard Heinzlmaier zum Vorschlag des IHS, die Lehrergewerkschaft aus den Verhandlungen zur Bildungsreform auszuschließen
Anti-gewerkschaftlicher Feldzug der Wissenschaft
„Dass so manchen Institutionen heutzutage Anstand und Moral nebst dem Blick für den großen Zusammenhang abgeht, wird uns anhand vieler Beispiele täglich vorgeführt. Zuletzt durch eine politische Intervention aus dem IHS, eine angeblich unabhängige Forschungseinrichtung, die wir alle mit unseren Steuergeldern unterstützen, damit dort Spezialisten und Experten zum Wohle der Allgemeinheit abseits vom marktwirtschaftlichen Wettbewerb ungestört forschen können. Wenn eine von der österreichischen Bundesregierung finanzierte Forschungseinrichtung sich aber für die Einschränkung von Rechten einer Einzelgewerkschaft stark macht und damit am sozialpartnerschaftlichen Grundkonsens dieser Republik rührt, darf Zweifel daran erlaubt sein, ob diese noch neutral genug ist, um finanzielle Förderung aus dem gemeinschaftlichen Steuertopf empfangen zu dürfen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum es gerade die Lehrergewerkschaft ist, deren Mitbestimmungsrechte auf das Besoldungsrecht und arbeitsrechtliche Fragen begrenzt werden sollen? Wohl nur, damit eine Pressuregroup, die sich im Besitz einer höherwertigeren bildungspolitischen Einsicht zu befinden glaubt, ihre Vorstellungen von Schule durchsetzen kann. Die Vermutung einer parteilichen Intervention, die diesen Aufruf zur Einschränkung von Gewerkschaftsrechten motiviert, liegt deswegen nahe, weil exklusiv die Lehrergewerkschaft ins Visier genommen wird. Denn keine Probleme hat man im IHS damit, dass gerade vor einigen Tagen die Gewerkschafter im ORF als Mitglieder des Stiftungsrates an der Wahl des Generaldirektors mit ihren Stimmen beteiligt waren. Warum, so fragt man sich, fordert das IHS nicht auch für die ORF-Gewerkschafter, dass ihr Einfluss auf Fragen des Besoldungs- und Arbeitsrechts beschränkt wird? Warum thematisiert das IHS nicht kritisch, dass ein Vertreter der Journalistengewerkschaft in der Kommission zur Vergabe der Presseförderung oder ein Gewerkschaftsvertreter im Verwaltungsrat des Arbeitsmarktservice sitzt? Beides hat mit Besoldungs- und Arbeitsrecht nichts zu tun. Und es ist auch keinem vernünftigen Menschen verständlich zu machen, dass den Lehrergewerkschaftern die Mitbestimmung bei Fragen der Schulorganisationsfragen versagt wird, die Vertreter anderer Gewerkschaften aber in Aufsichtsräten von Kapitalgesellschaften bei strategischen Unternehmensentscheidungen und zustimmungspflichtigen Geschäften votieren dürfen. Offensichtlich misst man hier mit zweierlei Maß. Dort, wo es der im IHS vorherrschenden Gesinnung dienlich ist, darf die Gewerkschaft alles, dort wo das nicht der Fall ist, wird ihre Einschränkung gefordert. Diese hier vorliegende unglaubliche Doppelbödigkeit und Tendenziösität verweist aber zudem auf ein viel allgemeineres Problem. Es ist dies die sich rundum ausbreitende Grundsatz- und Prinzipienlosigkeit in unserer Gesellschaft. In den 1970er Jahren hat Pierre Bourdieu den Hang zur Prätention, die hemmungslose Bereitschaft zum Bluff durch die moralische Überhöhung der eigenen Handlungsweisen und Intentionen und die gleichzeitige Abwertung des Willens und der Vorhaben anderer als typische Haltung des Kleinbürgertums identifiziert. Heute erscheint Arroganz, Dünkel und Überheblichkeit in Kombination mit dem zügellosen Einsatz von Manipulation und parteilicher Demagogie zum gesamtgesellschaftlichen Phänomen geworden zu sein. Auch das IHS bedient sich nun einer Zweckkommunikation, der jedes Mittel und jedes noch so schiefe Argument recht ist, wenn es der Durchsetzung der eigenen Überzeugungen und der Schwächung eines Diskursgegners dienlich ist. Und es ist dem IHS auch egal, dass es damit auch die wichtigen allgemeinpolitischen Vertretungsbefugnisse anderer Gewerkschaften in Diskussion bringt. Durch dieses Vorgehen hat das IHS seinen Ruf als politisch unabhängige Forschungsinstitution verloren. Wir müssen es in Zukunft als lobbygesteuerte PR-Einrichtung kategorisieren. Man sollte sich dort um die Eintragung in das österreichische Lobbying- und Interessensvertreterregister bemühen. So wäre dann endgültige Klarheit geschaffen.”
Bernhard Heinzlmaier, am 22. September.2016